Asset Allocation Insights

Marktausblick für das zweite halbjahr 2021

Freitag, 06/11/2021

Globale Wachstumserholung nach Covid-19 auf 40-Jahres-Hoch

Freitag 11/06/2021 - 10:50

Makroökonomischer Überblick: Positionierung für Inflationsschübe

Der markanteste globale Aufschwung seit vier Jahrzehnten stimmt die Investoren zuversichtlich, weil die Konjunktur in den großen In- dustrieländern dank erfolgreicher Impfkampagnen nach den Lock- downs von 2020 wieder anspringt.

Das Tempo dieser schnellen Erholung wird sich jedoch letzten Endes unweigerlich verlangsamen. Zwischenzeitlich verlagerten sich die Erwartungen auf einen Kurswechsel in der Geldpolitik, da die Zentralbanken aufgrund des Anstiegs des Konsums und der Inflation ihre geldpolitische Anreize zurückfahren und die Leitzinsen vermutlich erhöhen werden. Die Folge waren Volatilitätsschübe, denn die Staatsanleihenmärkte stellten sich die Frage, wie schnell sich die Volkswirtschaften erholen können und wann sich Geldpolitik und Inflation wieder normalisieren.

In der zweiten Jahreshälfte sollte   sich   unserer   Erwartung nach bestätigen, dass das Vor-Corona-Paradigma – trotz Inflationsausschlägen und den daraus resultierenden kurzzeitigen Renditeschüben – weiter intakt bleibt.

Der Neustart der Volkswirtschaften geht mit einem massiven Nachfrageschub seitens der Wirtschaft und der Konsumenten einher, da sich seit über einem Jahr ein enormer Nachholbedarf aufgestaut hat. Dies war zuerst in China und dann in den USA zu beobachten, wobei die gleiche Dynamik jetzt auch in den europäischen Volkswirtschaften in Gang kommen dürfte. Auf kurze Sicht es aufgrund der boomenden Nachfrage zu Angebotsengpässen infolge von Verzögerungen in den Lieferketten für praktisch alle Produkte gekommen – von Chips für Computer bis hin zu Bau- und Labormaterial. Die unausweichliche Folge sind steigende Preise und eine höhere Inflation. Dennoch geht unser Hauptszenario davon aus, dass der sich aufbauende Inflationsdruck nur ein vorübergehendes Phänomen ist, da die globale Erholung auf Kurs ist.

Das globale Wachstum wird 2021 auf 6% steigen – der höchste Wert seit vier Jahrzehnten
Das globale Wachstum wird 2021 auf 6% steigen – der höchste Wert seit vier Jahrzehnten
Quelle
Banque Syz, Factset

Dies wird somit keine grundlegende Änderung der globalen Wachstumsaussichten bewirken, zumal wir längerfristig in einer strukturellen „Japanisierung“ der Wirtschaft, d.h. niedrige Inflation und niedriges Wachstum, gefangen sind.

Dennoch wollen die Zentralbanken – allen voran die US-Notenbank – die Fehler nach der weltweiten Finanzkrise vor zehn Jahren tunlichst nicht wiederholen und werden ihre geldpolitische Unterstützung daher nicht übermäßig schnell zurücknehmen. Vermeiden wollen die Zentralbanken vor allem die Erfahrungen der Jahre 2013 und 2018, als sie durch den Abbau ihrer Lockerungsmaßnahmen Marktverwerfungen vor allem an den Rentenmärkten ausgelöst hatten. Daraufhin beruhigten sie die Märkte, dass es noch lange dauern werde, bis sich die Beschäftigungslage verbessert hat. So verabschiedete sich die US-Notenbank von ihrem starren Inflationsziel und gab sich für die Inflationsrate künftig mehr Flexibilität.

Die Schwellenländer befinden sich in einer anderen Phase. Da zahlreiche Impfkampagnen und die Erholung der Wirtschaft folglich schleppend verlaufen, sind sie mit steigenden Infiziertenzahlen und einer höheren Inflation konfrontiert.

Investoren sollten bei ihrem Timing auf einen möglichen Katalysator achten und bei ersten Anzeichen für ein Herunterfahren der geldpolitischen Anreize durch die Federal Reserve hellhörig werden. Dies könnte bereits beim Treffen der Zentralbanker und Volkswirte in Jackson Hole Ende August der Fall sein. Wir rechnen allerdings nicht damit, dass die Fed von ihrem erklärten Ziel, bis Ende 2022 an ihrem Zins-Status quo festzuhalten, abweichen wird – sofern es zu keinen Inflationsüberraschungen kommt.

Die Reduzierung der geldpolitischen Anreize wird die Angebots- und Nachfragedynamik an den Rentenmärkten   verändern. Bisher bewirkte die gigantische Liquiditätsversorgung durch die Zentralbanken niedrige Renditen und einen Ausgleich für die mangelnde Nachfrage. Da die derzeitigen Verschuldungsniveaus auf historische Höchststände gestiegen sind, besteht noch weniger Spielraum für das Herunterfahren der Stützungsmaßnahmen als 2018. Daher dürfte die Volatilität der Renditen hoch bleiben.

Die Positionierung unserer Portfolios ist auf den Reflationstrade ausgerichtet, d.h. eine stärkere Gewichtung der zyklischen Sektoren für die Aktienanlagen, obwohl wir auch bereits einige Gewinne mitgenommen haben, in Kombination mit einer niedrigen Duration der Anleihenkomponente.

Ferner haben wir unsere Absicherungspositionen für Aktien beibehalten, um uns für einen Anstieg der Volatilität zu rüsten, falls sich die oben erwähnten Annahmen konkretisieren.

Aktien: Nutzung des Aufwärtspotenzials

Der globale Aufschwung beflügelt vor allen die Aktienmärkte, die von einer Kombination aus positiver Wirtschaftsdynamik und anhaltend niedrigen Zinsen profitieren. Aktien sind deshalb noch immer die attraktivste Anlageklasse.

Anfang des Jahres rechneten wir mit positiven Renditen für die Aktienmärkte, da die Konjunkturerholung noch am Anfang stand.

Das erste Quartal wartete mit Unternehmensgewinnen auf, die über den Markterwartungen lagen, wobei Value-Titel gegenüber Wachstumswerten teilweise aufholen konnten.

In mehrfacher Hinsicht bemerkenswert war für die Aktienmärkte die Tatsache, dass sie die wirtschaftliche Erholung sahen und sich nicht von der Volatilität infolge der GameStop- und Archegos-Turbulenzen beeindrucken ließen.

In der Vergangenheit hätten derartige Ereignisse Kursstürze am Aktienmarkt ausgelöst, doch die Dynamik der Post-Covid-Erholung war so solide, dass sich der Markt durch keines dieser Vorkommnisse aus der Ruhe bringen ließ.

Mit unserer Positionierung wollen wir dieses Reflationsumfeld nutzen und sind deshalb in zyklische Werte und Value-Aktien investiert, bei denen viele Bereiche wie Finanztitel und Grundstoffwerte von der wirtschaftlichen Erholung und den Infrastrukturprogrammen in den USA profitieren werden. Die europäischen Aktienmärkte schlossen das Jahr 2020 im Rückstand auf ihre US-Pendants – einen Rückstand, den sie im zweiten Halbjahr 2021 aufholen dürften.

Gegen Ende des Jahres werden viele Investoren den Blick auf die USA richten, da die von der Biden-Administration angestrebte Erhöhung der Körperschaftsteuer die politischen Instanzen durchlaufen haben wird. Obwohl man sich letztendlich wohl auf einen Kompromiss mit einem niedrigeren Steuersatz einigen wird, könnten multinationale Konzerne unter Druck geraten und Reserven außerhalb der USA zurückführen.

In der zweiten Jahreshälfte rechnen wir mit weiterer Volatilität am chinesischen Aktienmarkt infolge des veränderten regulatorischen Umfelds und des Drucks auf Technologieunternehmen. Trotz kurzfristiger Unsicherheiten bleiben wir in chinesischen Aktien positioniert, denn die Stärke der chinesischen Wirtschaft muss sich in der Exposure der Portfolios widerspiegeln.

Ein anderes wichtiges Thema für Aktienanleger: die Inflation und ihr Einfluss auf die Zinsen. Ein deutlicher Anstieg der Zinsen könnte die Aktienmärkte belasten. Dabei wären nicht alle Sektoren gleich stark betroffen, da einige Unternehmen weniger durch die Inflation belastet werden.

Aktienperformance in den USA vs. Europa und China
  Aktienperformance in den USA vs. Europa und China
Quelle
Banque Syz, Factset

Obwohl es sicherlich zu einigen Gewinnmitnahmen kommen wird, bleiben wir zuversichtlich, denn Aktien bieten nach wie vor ein hohes Aufwärtspotenzial. Bei einigen pandemiebedingten Thematiken – Homeoffice und Digitalisierung – hatten sich zum Jahresbeginn offenbar kleine Blasen in bestimmten Sektoren ausgebildet. Statt zu zerplatzen, folgten andere Sektoren dem gleichen Trend.

Im weiteren Jahresverlauf dürften die Unternehmensgewinne daher sehr solide ausfallen, so dass es zu inflationsinduzierten Volatilitätsphasen kommen könnte.

PERSPEKTIVEN FÜR DIE AKTIENMÄRKTE
PERSPEKTIVEN FÜR DIE AKTIENMÄRKTE

Anleihen: Proaktive Identifikation von Renditechancen

Im Vergleich zu vor sechs Monaten sind viele der Unsicherheiten der Weltwirtschaft inzwischen weggefallen. Dennoch bedeuten ein auf längere Sicht niedriges Wachstum und Inflation, dass das Umfeld für Rentenmarktanlagen schwierig und die Spreads eng bleiben werden. Allmählich nimmt der Anteil der Anleihen mit negativen Renditen am Markt ab, er sank in der ersten Jahreshälfte 2020 bereits um ein Drittel.

Der Rentenmarkt ist nach wie vor ein schwieriges Fahrwasser, das zur Identifikation von Renditen einen äußerst aktiven Ansatz erfordert. Renditechancen sind vorhanden – etwa bei nachrangigen Papieren oder Hartwährungs-Schwellenländeranleihen, aber auch bei bestimmten Unternehmensanleihen, die bessere Renditen bieten als Staatsanleihen. Die Zeit ist unserer Ansicht nach jedoch noch nicht gekommen, um unsere Fixed-Income-Exposure deutlich hochzufahren. Sollten die Zinsen in den Industriestaaten steigen, bieten sich Möglichkeiten zur schrittweisen Erhöhung der Duration in unseren Portfolios. Sobald sich die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen der 2%-Marke nähert, ist es an der Zeit, die Durationen zu verlängern.

Vor Kurzem bauten wir eine geringe Cashposition mittels benchmarkunabhängiger Anleihen mit kurzen Laufzeiten auf. Die Zinssensitivität ist weiter niedrig, dennoch nehmen wir die höheren Renditen durch Anlagen in bestimmten Segmenten wie nachrangigen Anleihen und forderungsbesicherten Wertpapieren (ABS) mit.

Mit Blick auf die Bewertungen sind Wandelanleihen noch immer attraktiv. Dies ist seit Mitte Februar sogar noch deutlicher geworden, da sie infolge ihrer höheren Exposure in sogenannten Long- Duration-Aktien, d. h. vor allem IT-Werte oder Titel von vor kurzem gegründeten Unternehmen, schlechter liefen.

PERSPEKTIVEN FÜR DIE RENTENMÄRKTE
PERSPEKTIVEN FÜR DIE RENTENMÄRKTE

Private Markets: Chancenvielfalt

Die Wirtschaft dürfte 2021 ein hohes Wachstum erreichen, da Na- chholbedarf besteht und die Nachfrage steigt. Dies ist zwar bee- indruckend, doch ist dieser Trend auch nachhaltig? In den Be- wertungen ist diese Erholung trotz der zahlreichen Risiken, die nicht ignoriert werden können, bereits in hohem Maß eingepreist. Die durch die Pandemie entstandenen Diskrepanzen zwischen den einzelnen Sektoren bieten Anlagechancen für Private Mar- kets-Strategien – von Wachstumsfinanzierungen, Carve-outs von Unternehmen, Distressed Investments über Prozessfinanzierungen bis hin zu Management Buyouts und Sekundärmarkttransaktionen.

In Zeiten der Unsicherheit richten Asset-Allokatoren ihren Blick auf die unkorrelierten Renditeströme alternativer Anlagestrate- gien, wie beispielsweise Prozessfinanzierungen. Nach erfolgreich- er Finanzierung von Klägern in einzelnen Fällen (Handelssachen und Schiedsverfahren) nutzen wir unsere Expertise für diese An- lageklasse für die Vergabe von Krediten an Anwaltskanzleien – eine Private-Debt-Strategie, die ähnlich attraktive und unkorrelierte Ren- diten mit einer defensiveren Positionierung ermöglicht.

Die tiefen Verwerfungen, die in betroffenen Branchen und in Kapi- talstrukturen auftreten, bieten ebenfalls einen fruchtbaren Boden für Value-Strategien wie Distressed Investing, Sekundärmarkttransak- tionen oder Turnarounds. Investoren mit wachsamem Blick, Reaktionsschnelligkeit und dem richtigen Timing für den Preis finden Anlagechancen, die eine effiziente Verlustbegrenzung ermöglichen und gleichzeitig viel Aufwärtspotenzial besitzen.

In Bezug auf Wachstumsfinanzierungen sollte man aus unserer Sicht mit folgenden einfachen Strategien arbeiten: 1. Unterstützung von wachstumsstarken Technologieunternehmen oder technolo- giegestützten Unternehmensdienstleistungen, die ihr Wachstums- tempo seit Beginn der Pandemie in den meisten Fällen beschleunigt haben;

2. Flankierung erfolgreicher Managerteams auf ihrem Weg zur Kon- solidierung eines fragmentierten Nischenmarktes durch M&A-Initia- tiven ausgehend von einer soliden Plattform, um einen Branchen- führer aufzubauen; 3. Nutzung langfristiger Wachstumstrends wie z.B. nachhaltiger Landwirtschaft mithilfe von Technologie, die zur Lösung mehrerer Gesundheits- und Klimaproblematiken der globalen Community beiträgt. Ein sehr weites Feld für mögliche Anlagen und hohen Impact bieten die AG-Tech und Food-Tech-Segmente, vor allem in den landwirtschaftlichen Communities in Afrika und Asien.

Die Integration unkorrelierter und antizyklischer Strategien in ein Portfolio bietet in diesen unsicheren Zeiten noch immer solide Diversifikationsvorteile.

PERSPEKTIVEN FÜR DIE PRIVATE MARKETS
PERSPEKTIVEN FÜR DIE PRIVATE MARKETS

Hedgefonds: Paradigmenwechsel

Gut strukturierte Hedgefonds erzielen in diesem Umfeld weiter Renditen, und wir beobachten, dass institutionelle Investoren alternative Strategien in ihre Portfolios aufnehmen und dass sich Gelegenheiten für Event Driven-Strategien bieten, vor allem in Japan.

Viele institutionelle Kunden hatten ihre Anleihenexposure und Cashposition gesenkt, um sich dieses Jahr in Hedgefonds zu positionieren. Dieser Trend zur festen Verankerung alternativer Anlagen in den Portfolios kommt einem Paradigmenwechsel gleich. Angesichts neuer Höchststände an den Aktienmärkten, niedrigen Zinsen und der steigenden Korrelation zwischen Aktien und Anleihen ist die Attraktivität von Hedgefonds für institutionelle Investoren zur Reduzierung des Aktienrisikos in ihren Portfolios gestiegen.

Event-Driven-Strategien profitieren von engen Spreads, da die Impfkampagnen, US-Wahlen und das anhaltende Niedrigzinsumfeld die Unsicherheit etwa in den letzten sechs Monaten gesenkt haben. Darüber hinaus haben die von den Unternehmen während der Gesundheitskrise im letzten Jahr angehäuften Cashpositionen in einigen Sektoren Rekordniveaus erreicht, wodurch in Kombination mit Margendruck durch die sich beschleunigenden Disruptionen im Technologiesektor ein außergewöhnliches Jahr für Kapitalmaßnahmen eingeläutet wird.

M&A-Aktivität in Japan (Stand: 31. Mai 2021)
M&A-Aktivität in Japan (Stand: 31. Mai 2021)
Quelle
Recof Data

Wir glauben zudem, dass Japan zunehmend attraktive Anlagemöglichkeiten für Event-Driven-Strategien bietet, wo sich die Aktivität in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt hat und mittlerweile Rekordniveaus verzeichnet.

Jahrelang war der japanische Markt unterbewertet, da es kaum möglich war, hier eine Überperformance zu erzielen. Dies hat sich aufgrund der vom früheren Premierminister Shinzo Abe durchgeführten Corporate Governance-Reformen schnell geändert. Diese Reformen zielten auf die Verbesserung der Rentabilität und eine höhere Transparenz für die Aktionäre bei Kapitalmaßnahmen, bewirkten aber auch höhere Anlagerenditen und einen besserem Anlegerschutz. Vereinfacht ausgedrückt sind die Vorstände und Führungsriegen durch die Änderungen gezwungen, Leistung zu zeigen, was den ausländischen Investoren zwangsläufig zugute kommt. Ein unlängst verfasster neuer Entwurf eines Corporate Governance-Kodex wird diesen Druck weiter erhöhen.

Wandelanleihen-Arbitragen beurteilen wir noch immer positiv. Die Neuemissionen wurden häufig von erstklassigen Wachstumsunternehmen begeben, deren Aktien sehr volatil sind, wie z.B. Twitter oder Peloton – ideale Beispiel für diese Strategie. Nach einem dynamischen Jahresauftakt kam es nach dem extrem hohen Neuemissionsvolumen zuletzt zu Neubewertungen und einem Rückgang der Volatilität. Damit bietet sich ein perfekter Einstiegspunkt für diese unkorrelierte Strategie.

PERSPEKTIVEN FÜR HEDGEFONDS
PERSPEKTIVEN FÜR HEDGEFONDS

Trading: Privatanleger auf dem Vormarsch?

Die ersten Monate des Jahres waren von der Euphorie der Investoren geprägt, ein Trend, der an der Retail-Trading-Front verstärkt zu beobachten war. Während Privatanleger während des Bullenmarktes nach der Finanzkrise von 2008 keine aktive Rolle gespielt hatten, schlagen sie jetzt zu. Möglich wurde dies durch die Demokratisierung von Anlagen mittels kostengünstiger und benutzerfreundlicher Trading-Apps sowie durch den leichteren Zugang zu Anlageinformationen und Schulungsinhalten.

Die Pandemie hat diesen Trend beschleunigt, denn vom Homeoffice zum Home-Trading war es nur ein kleiner Schritt. Eines der wichtigsten Ereignisse der ersten Jahreshälfte 2021 war der Erfolg von Social Media-Foren, in denen über Wertpapierhandel diskutiert wird, private Trader Ideen austauschen, bestimmte Aktien aufs Korn nehmen und sich gegen professionelle Investoren wie Hedgefonds verbünden. Dies führte Anfang des Jahres zu schnellen Marktreaktionen und hohen Handelsvolumina bei einigen wenigen Aktien wie GameStop und AMC Entertainment.

Ein weiterer Ausdruck der Markteuphorie war der Boom von SPACs (Special Purpose Acquisition Companies), mit denen private Unternehmen an die Börse gehen können, ohne eine Börseneinführung zu organisieren. Der anhaltende Vormarsch dieser „Blankoscheck“-Übernahmetransaktionen hat die Aufmerksamkeit der US-Aufsichtsbehörden auf sich gezogen.

Neben Aktienmarkt-Events sorgten Kryptowährungen im ersten Halbjahr 2021 für großes Aufsehen, allen voran der Bitcoin. Obgleich das „digitale Gold“ mit einer beeindruckenden Performance aufwartete, schnitten andere Kryptowährungen wie Ethereum oder „Altcoins“ sogar noch besser ab. Blockchain-basierte Technologien generieren viele neue Anwendungen, fördern Plattformen und sind bei den Investoren gefragt. Dennoch werden – wie bei allen neuen Phänomenen – nur wenige überleben und letztendlich prosperieren. Kryptowährungen bleiben sehr volatile, riskante Anlagen, die Investoren zwingen, selektiv vorzugehen, einen zu hohen Leverage zu vermeiden und nur einen kleinen Teil ihres Portfolios in diese Anlageklasse zu investieren.

Für die Märkte stellt sich die Frage, ob das Ende der Pandemie auch das Ende dieser privaten Trading-Aktivitäten bedeutet. Manche meinen, dass Privatanleger nach dem Neustart der Wirtschaft wieder zu Sportwetten zurückkehren werden. Die Faktenlage liest sich anders. Obwohl viele dieser Trader keine praktische Erfahrung bei früheren Börsencrashs sammeln konnten, scheint die Digitalisierung des Finanzwesen neue demografische Gruppen in die Welt der Investments gelockt zu haben. Ihre Geduld und ihr Risikomanagement-Know-how werden jedoch möglicherweise schon bald auf den Prüfstand gestellt. Die Marktvolatilität, gemessen am VIX-Index, war in den letzten 12 Monaten eher niedrig. Dies kann auf eine zu hohe Sorglosigkeit der Anleger hindeuten. Die Jahresmitte und der Sommer in der nördlichen Hemisphäre sind in der Regel von niedrigeren Handelsvolumina gekennzeichnet, so dass unerwartete Ereignisse Volatilitätsschübe auslösen können. Die Unsicherheit hinsichtlich der Inflationsentwicklung und der Geldpolitik der US-Notenbank könnte in den nächsten Monaten zu Kursrückschlägen an den Märkten führen.

Abschließend sollten wir auf eine andere Änderung der Trading-Muster während der Pandemie eingehen. Die Arbeit im Homeoffice hat eine höhere Nachfrage nach institutionellen externen Vermögensverwaltern bewirkt, die auch nach dem Ende des Arbeitstags Zugang zu Trading-Dienstleistungen bieten. Zusätzlich zur schnellen Kontoeröffnung wünschen sich professionelle Investmentkunden künftig verstärkt auch agilere Geschäftsbeziehungen, damit sie zu beliebigen Zeiten handeln können. Zudem wollen sie je nach ihrer persönlichen Sachkenntnis auch einen Zugang zu Anlageberatungsleistungen für mehrere Anlageklassen und Anlagezonen erhalten.