Die ersten Monate des Jahres waren von der Euphorie der Investoren geprägt, ein Trend, der an der Retail-Trading-Front verstärkt zu beobachten war. Während Privatanleger während des Bullenmarktes nach der Finanzkrise von 2008 keine aktive Rolle gespielt hatten, schlagen sie jetzt zu. Möglich wurde dies durch die Demokratisierung von Anlagen mittels kostengünstiger und benutzerfreundlicher Trading-Apps sowie durch den leichteren Zugang zu Anlageinformationen und Schulungsinhalten.
Die Pandemie hat diesen Trend beschleunigt, denn vom Homeoffice zum Home-Trading war es nur ein kleiner Schritt. Eines der wichtigsten Ereignisse der ersten Jahreshälfte 2021 war der Erfolg von Social Media-Foren, in denen über Wertpapierhandel diskutiert wird, private Trader Ideen austauschen, bestimmte Aktien aufs Korn nehmen und sich gegen professionelle Investoren wie Hedgefonds verbünden. Dies führte Anfang des Jahres zu schnellen Marktreaktionen und hohen Handelsvolumina bei einigen wenigen Aktien wie GameStop und AMC Entertainment.
Ein weiterer Ausdruck der Markteuphorie war der Boom von SPACs (Special Purpose Acquisition Companies), mit denen private Unternehmen an die Börse gehen können, ohne eine Börseneinführung zu organisieren. Der anhaltende Vormarsch dieser „Blankoscheck“-Übernahmetransaktionen hat die Aufmerksamkeit der US-Aufsichtsbehörden auf sich gezogen.
Neben Aktienmarkt-Events sorgten Kryptowährungen im ersten Halbjahr 2021 für großes Aufsehen, allen voran der Bitcoin. Obgleich das „digitale Gold“ mit einer beeindruckenden Performance aufwartete, schnitten andere Kryptowährungen wie Ethereum oder „Altcoins“ sogar noch besser ab. Blockchain-basierte Technologien generieren viele neue Anwendungen, fördern Plattformen und sind bei den Investoren gefragt. Dennoch werden – wie bei allen neuen Phänomenen – nur wenige überleben und letztendlich prosperieren. Kryptowährungen bleiben sehr volatile, riskante Anlagen, die Investoren zwingen, selektiv vorzugehen, einen zu hohen Leverage zu vermeiden und nur einen kleinen Teil ihres Portfolios in diese Anlageklasse zu investieren.
Für die Märkte stellt sich die Frage, ob das Ende der Pandemie auch das Ende dieser privaten Trading-Aktivitäten bedeutet. Manche meinen, dass Privatanleger nach dem Neustart der Wirtschaft wieder zu Sportwetten zurückkehren werden. Die Faktenlage liest sich anders. Obwohl viele dieser Trader keine praktische Erfahrung bei früheren Börsencrashs sammeln konnten, scheint die Digitalisierung des Finanzwesen neue demografische Gruppen in die Welt der Investments gelockt zu haben. Ihre Geduld und ihr Risikomanagement-Know-how werden jedoch möglicherweise schon bald auf den Prüfstand gestellt. Die Marktvolatilität, gemessen am VIX-Index, war in den letzten 12 Monaten eher niedrig. Dies kann auf eine zu hohe Sorglosigkeit der Anleger hindeuten. Die Jahresmitte und der Sommer in der nördlichen Hemisphäre sind in der Regel von niedrigeren Handelsvolumina gekennzeichnet, so dass unerwartete Ereignisse Volatilitätsschübe auslösen können. Die Unsicherheit hinsichtlich der Inflationsentwicklung und der Geldpolitik der US-Notenbank könnte in den nächsten Monaten zu Kursrückschlägen an den Märkten führen.
Abschließend sollten wir auf eine andere Änderung der Trading-Muster während der Pandemie eingehen. Die Arbeit im Homeoffice hat eine höhere Nachfrage nach institutionellen externen Vermögensverwaltern bewirkt, die auch nach dem Ende des Arbeitstags Zugang zu Trading-Dienstleistungen bieten. Zusätzlich zur schnellen Kontoeröffnung wünschen sich professionelle Investmentkunden künftig verstärkt auch agilere Geschäftsbeziehungen, damit sie zu beliebigen Zeiten handeln können. Zudem wollen sie je nach ihrer persönlichen Sachkenntnis auch einen Zugang zu Anlageberatungsleistungen für mehrere Anlageklassen und Anlagezonen erhalten.